google.com, pub-2986609426121239, DIRECT, f08c47fec0942fa0 Hier ist Interessant: 'Katzen sind eigentlich Einzelgänger': Expertin über Verhaltensauffälligkeiten bei Samtpfoten

'Katzen sind eigentlich Einzelgänger': Expertin über Verhaltensauffälligkeiten bei Samtpfoten

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Tierärztin Dr. Bettina Christian ist spezialisiert auf Verhaltensauffälligkeiten bei Katzen. Im Interview erklärt sie, dass man die Tiere ähnlich wie Hunde erziehen kann – und warum die Anschaffung einer zweiten Katze häufig unnötig ist.

Dr. Bettina Christian ist Tierärztin in einer Tierarztpraxis in Hamburg mit dem Behandlungsschwerpunkt Kleintiermedizin und Reptilien. Ihr Spezialgebiet ist die Verhaltenstherapie – besonders bei Katzen. Im Interview gibt sie einen Einblick, welche Patienten in ihre Praxis kommen, wie sie Verhaltensauffälligkeiten feststellt und therapiert. Außerdem gibt sie Tipps, wie Tierhalter von Anfang an für eine artgerechte Haltung ihrer Tiere sorgen können.

Was würden Sie sich als Experten wünschen, wie Menschen Katzen halten sollten, damit es den Tieren gut geht?
Die Leute kaufen sich diese Tiere und denken: "Ich weiß schon, wie das geht." Aber es gibt so viel Wissen, das für die Haltung eines so "banalen" Haustieres zu beachten ist. Das ist den Leuten oft gar nicht klar. Dann kommen sie mit vollkommen verängstigten, deprivierten Katzen zu mir.

Grundsätzlich würde ich jedem raten, sich gut zu informieren und nicht sofort alles zu kaufen, was in den einschlägigen Tierfachmärkten empfohlen wird. Nur weil es da steht, muss das nicht immer richtig sein. Zum Beispiel ein Kratzbaum: Der wird so gebaut, wie es den Menschen in ihrer Wohnung gefällt. Das muss aber lange nicht bedeuten, dass die Katze ihn annimmt. Dann sind die Leute frustriert, dass das Tier nicht am Kratzbaum kratzt, sondern überall anders.

Kratzen ist ein ganz wichtiges Verhalten, die Tiere möchten damit markieren. Eine Katze kratzt, damit, falls jemand in das Revier der Katze kommt, er weiß: Hier ist die Katze X. Eine Kratzmöglichkeit sollte deshalb gegenüber der Haustür sein. Welches Material gerne bekratzt wird, ist auch unterschiedlich. Eine Katze mag Sisal, die nächste Kork, die übernächste Holz und die andere Pappe. Und dann ist es auch noch unterschiedlich, ob sie gerne senkrecht oder waagerecht kratzen. Das wissen Leute, die sich damit nicht beschäftigen, auch nicht. Ich würde mal sagen, egal was für ein Tier man sich anschafft: Eine gründliche Information vorneweg würde vielen helfen.

Gibt es bei Katzen eigentlich ähnlich psychische Krankheiten wie wie bei Menschen?
Es ist immer ein bisschen schwierig, das mit Menschen zu vergleichen. Ich bin keine Psychologin für Menschen. Bei Katzen gibt es aber etwa Angststörungen, depressive Störungen oder Hyperagression. Posttraumatische Stresssyndrome lassen sich auch bei den Tieren feststellen. Sehr interessant ist, dass Demenz bei Katzen tatsächlich der Demenz des Menschen sehr ähnlich ist. Zudem gibt es Störungen, die sich auf Menschen beziehen, auf Artgenossen, auf Geräusche oder ihre belebte Umwelt. Es gibt auch genetische Probleme, so dass fehlende Impulskontrolle entsteht. All das ist schwierig zu beurteilen, weil wir einen Patienten haben, der nicht spricht. Nur durch Beobachtung von Symptomen kann man Rückschlüsse ziehen.

Wie sieht Langeweile bei einer Katze aus, und warum ist gerade sie so problematisch?
Ganz viel Langeweile führt zu Depressionen. Dann sind die Katzen träge, sie ziehen sich zurück, sind extrem müde. Oft kann man das auch am Fell sehen. Manche kriegen eine Fresssucht, andere hören auf zu fressen. Sie sind unlustig und wenig motivierbar, Dinge zu tun.

Sie können auch sehr viel wilder sein oder vielleicht sogar Aggressivität gegenüber ihren Besitzern zeigen und Angriffe auf sie starten. Sie verstecken sich, um ihren Besitzern aufzulauern, um sie dann anzuhopsen und sich in den Waden zu verbeißen. Manche Tiere fangen an, "Manegebewegungen" zu machen: dass sie immer dieselbe Touren laufen. Tatsächlich ist es ein bisschen wie bei Tieren im Zoo. Das kann am Ende des Tages nur ein:e Verhaltenstherapeut:in therapieren.

Was könnte man als Halter zu Hause vorbeugend tun?
Das Stichwort heißt artgerechte Haltung. Es geht damit los, dass viele Katzenbesitzer nicht mal wissen, dass man Futter und Wasser niemals nebeneinander stellt. Auch abgedeckte Katzenklos sind Tierquälerei. Eine Katze würde, wenn sie ihr Ausscheidungsverhalten frei wählen könnte, immer einen kleinen Hügel mit guter Rundumsicht und guter Abluft wählen. Dann würde sie dort ein Loch buddeln, da ihr Geschäft machen und es verscharren – oder es liegen lassen, als Markierung. Eine Katze zu zwingen, in eine kleinen, dunklen Höhle zu gehen, wo es maximal riecht – das ist Tierquälerei. Das wäre so, als ob Sie auf einer sechsspurigen Straße auf dem grünen Mittelstreifen ein Klo hingestellt bekommen und jemand sagt: "Da müssen Sie jetzt täglich hingehen." Angebracht wäre eine Wanne, wo man vielleicht älteren Katzen dann auch eine Einstiegshilfe einbaut, die abgeflacht ist.

Dann geht es weiter: Näpfchen sollten niemals aus Edelstahl sein, sondern immer aus Steingut. Gut wäre auch ein Trinkbrunnen, weil viele Katzen es lieben, mit Wasser zu spielen. Zur Fütterung: Katzen sind Snackfresser. Das heißt, sie möchten eigentlich ganz viele kleine Portiönchen am Tag haben. Was ich Leuten mit jungen Katzen empfehle, ist: 

Geben Sie der Katze gerne zwei-, dreimal am Tag ein Mini-Löffelchen Feuchtfutter und zelebrieren Sie das. So, dass der Katze klar ist, alles Gute kommt von Ihnen. Das ist dann der "freundliche Snack". Die Hauptnahrung wäre hochwertiges Trockenfutter. Das Zauberwort heißt "Libitum Fütterung": Die Katze kann immer ans Futter, muss es sich aber erarbeiten. Etwa mit einem Katzenfummelbrett oder einer Pipolino-Rolle. Eine Katze, die nach Essen sucht, ist nicht gelangweilt.

Welches Futter eignet sich?
Hochwertiges Katzenfutter von Qualitätsmarken. Im Zweifel sollte man einen Tierarzt fragen. Katzen sind Halbwüstentiere. Sie sind es gewohnt, relativ dröge zu fressen. Wenn wir schlechtes Futter geben, kann es gerne mal sein, dass Sie ziemlich viele Elektrolyte in der Blase finden. Die ballen sich dann zu Harnkristallen zusammen.

Wäre eine Partnerkatze gut, um Langeweile vorzubeugen?
Katzen sind eigentlich Einzelgänger. Das ist aber ein bisschen davon abhängig, wie sozial sie sind. Vor ungefähr 5000 Jahren sind Menschen sesshaft geworden und haben ihre Getreidevorräte irgendwo aufbewahrt. Die Katzen sind aus der Wüste gekommen, weil klar war: Wo Getreide aufbewahrt wird, kommen Schädlinge und es gibt dort reichlich Fressen und Mäuse. Je mehr Fressen da ist, desto besser können sich Katzen gegenseitig tolerieren.

Grundsätzlich ist es aber überhaupt keine gute Idee, zu sagen: "Meine Katze langweilt sich, ich schaffe mir eine zweite Katze an." Das kann ein Supergau werden. Man kann zwei Katzen zusammen halten. Das kann gutgehen, muss aber nicht. Leute kommen oft in unsere Praxis und sagen: "Das sind Geschwister." Das ist den Katzen aber egal. Verwandtschaftliche Beziehungen spielen keine Rolle. Es spielt eine Rolle, wie sie daran gewöhnt sind, wie ihre genetische Ausstattung und das Sozialverhalten sind – und wie viel Futter da ist.

Aber viele Tierheime empfehlen doch sogar, dass man sich stets zwei Katzen holen soll?
Ich halte das für einen Fehler. Wenn Sie zwei Katzen haben, die sich lieb haben, die aneinander gewöhnt sind, die sich schätzen – dann ist es natürlich toll. Wenn man zwei Katzen nimmt und glaubt, dass Einsamkeit bei der Katze mit einer zweiten Katze abzuhelfen ist, ist das Unsinn.

Sind Katzen aus dem Tierschutz mit schwieriger Vergangenheit häufiger von Verhaltensstörungen betroffen – im Gegensatz zu verwöhnten Stubentigern?
In der Sozialisationsphase vernetzen sich die Gehirnzellen. Dafür ist Input von Erlebnissen verantwortlich. Wenn eine Katzenmutter auf dem Bauernhof ihre Katzen auf dem Heuboden großzieht und die das erste Mal mit acht Wochen den Hof betreten, ist die Sozialisationsphase bei der Katze schon abgeschlossen. Diese Tiere sind häufig sehr ängstlich und schwierig zu halten.

Aber wenn Sie zum Beispiel einen sehr, sehr umsichtige:n Katzenzüchter:in haben, der wirklich seine Tiere sozialisiert, dann kommen Kinder ins Haus und Fremde. Das Allerschlimmste, was Sie machen können, ist Katzen acht Wochen lang ganz steril, ohne Input, in ein Zimmer zu sperren und zu sagen, sie brauchen Ruhe. Das ist Quatsch. Die brauchen, sobald sie laufen können, Input – allerdings in einem angemessenen Rahmen.

Warum ist das wichtig?
Katzen müssen Frustrationstoleranz lernen, sie müssen Impulskontrolle lernen, sie müssen auch verschiedene Situationen erleben. Man darf es natürlich nicht übertreiben, weil es ja noch ganz junge Kätzchen sind, die viel Schlaf und Ruhe brauchen. Aber sie brauchen auch Input. Am besten, Sie bestellen jeden Tag jemand anderes in Ihre Wohnung. Sie fangen mit einem Hund an, über Menschen, Kinder. Auch anfassen und mal streicheln, draußen sein, drinnen sein oder Auto fahren in der Box.

Dann gibt es eine sehr, sehr interessante Geschichte bei Katzen, das weiß allerdings so gut wie keiner. Katzen sind extrem lernfähig bis zur 25. Lebenswoche. Wenn die neonatale Zeit abgeschlossen ist und sie die Äuglein aufmachen und ein bisschen mobil werden – sagen wir, so 5. bis 6. Lebenswoche – sind die ja schon richtig fit, und dann haben Sie rund 19 Wochen Zeit, in denen sie der Katze beispielsweise Sitz und Platz beibringen können, durch den Ring und sogar apportieren – ganz ähnlich wie beim Hund. Sie haben aber nicht so ein großes Zeitfenster wie beim Hund. Danach nimmt diese extreme Lernfähigkeit bei der Katze ab.

Man sagt Katzen doch eigentlich nach, dass sie immer das machen, was sie wollen. Stimmt das also nicht?
Ja, das ist Unsinn. Eine Katze ist ein lernfähiges Tier. Natürlich haben die ihren eigenen Kopf und natürlich ist das auch ein Grund, weswegen Leute Katzen halten und lieben. Wie ich eben gesagt habe, wissen die meisten Leute halt nicht, dass sie in dieser bestimmten Zeit "geformt" werden müssen.

Okay, wie ist das mit dem Alleinsein am Tag? Die meisten Menschen müssen ja inzwischen wieder in ihre Büros oder auf die Baustelle oder wohin auch immer, um zu arbeiten. Das heißt, dass viele Katzen mindestens acht Stunden am Tag allein sind.
Das können die eigentlich schon. Dann müssen die Leute ihre Wohnung zu einem Katzenspielgarten machen und auch beherzigen, was ich zu dem Essen gesagt habe. Das heißt, sie müssen morgens aufstehen und sich vielleicht mal eine halbe Stunde Zeit für ihre Katze nehmen. Ein bisschen Feuchtfutter füttern, eine kleine Spieleinheit bieten. Den Pipolino füllen, zwei Kratzfummelbretter und ein paar Snacks in der Wohnung verteilen.

Hat eine Katze ein Zeitgefühl?
Nein.

Aber die Tiere merken schon, wenn nichts los ist?
Ja. Man kann aber beispielsweise dafür sorgen, dass eine Katze beobachten kann. Das machen die gerne. Man sollte ein Plätzchen schaffen, von dem aus sie rausgucken kann, und wo sie viel sehen kann. Dann gibt es noch tolle Sachen für Katzen wie Laufräder – die finde ich gar nicht schlecht.










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