Im Tierheim war kein Platz mehr frei. Aber als Ehrenamtliche darf ich Tiere mit nach Hause nehmen, die zu alt oder zu verängstigt sind, um noch eine Chance auf Vermittlung zu haben.
So bin ich auf Barnaby gestoßen.
Barnaby war ein kleiner Terrier-Mix, vielleicht zehn, elf Jahre alt. Seine Familie hatte ihn „abgegeben“. Er saß nur im hintersten Eck seines Zwingers, zitternd, den Blick auf den Boden gerichtet. Er wollte niemanden ansehen. Man merkte: Er hatte innerlich längst aufgegeben.
Ich nahm ihn mit nach Hause. Mein Nachbar Frank, 84 Jahre alt und seit letztem Winter Witwer, saß wie so oft auf seiner Veranda und beobachtete stumm die vorbeifahrenden Autos. Nach sechzig Ehejahren war er plötzlich allein zurückgeblieben. Sein Haus ist seitdem meist still – eine Stille, die sich wie ein Schleier über alles legt.
Ich ging mit Barnaby im Arm zu ihm hinüber, um Hallo zu sagen.
„Ein alter Bursche, was?“, murmelte Frank leise.
„Ja“, sagte ich, „er hat einiges hinter sich. Er braucht dringend einen Freund.“
Ich setzte Barnaby auf der Veranda ab.
Der kleine Hund, der sich zwei Tage lang im Tierheim kaum bewegt hatte, tappte direkt auf Frank zu. Er schnupperte an seinem Bein, und dann tat er etwas, das mir die Kehle zuschnürte: Er leckte ganz vorsichtig Franks Hand, als hätte er genau gespürt, wie zerbrechlich das Herz vor ihm war.
Frank lachte – zum ersten Mal seit Monaten ein warmes, echtes Lachen. Er beugte sich zu Barnaby hinunter und fing an, ihm die Ohren zu kraulen. „Na du“, flüsterte er, „du hast es auch nicht leicht gehabt, was?“
Eigentlich sollte ich nur Barnabys Pflegestelle sein.
Das ist jetzt drei Wochen her. Inzwischen wohnt Barnaby bei Frank. Ich bringe den beiden jeden Dienstag Futter vorbei. Und jedes Mal wirkt Frank ein bisschen lebendiger, ein bisschen wacher. Sein Blick hat wieder dieses kleine Funkeln, das früher so selten geworden war.
Heute, als ich ankam, war es in Franks Haus nicht mehr still. Der Fernseher lief, irgendwo brummte ein Wasserkocher, und Frank redete vor sich hin. „Und danach… schauen wir zusammen das Spiel, stimmt’s, Junge?“
Barnaby lag zusammengerollt auf seinem Schoß und schlief, völlig entspannt, als hätte er endlich begriffen, dass er angekommen ist.
Zwei alte Seelen, jede auf ihre Weise zurückgelassen, haben sich auf einer stillen Veranda gefunden. Und ganz ehrlich: Ich wüsste nicht sagen, wer hier eigentlich wen gerettet hat.
Vielleicht braucht es manchmal genau solche Begegnungen, damit zwei gebrochene Herzen wieder lernen, im gleichen Takt zu schlagen.


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